[17.06.2025]
Ortenau. (vg) Im Landratsamt Ortenaukreis geht eine Ära zu Ende: Ab dem 1. Juli 2025 wird schrittweise die Barzahlung abgeschafft. Zunächst betrifft die Umstellung die Außenstellen, ab Oktober auch das Hauptgebäude in Offenburg. Ab dann werden Zahlungen nur noch per EC- oder Kreditkarte akzeptiert. Was von der Verwaltung als moderner und effizienter Schritt gefeiert wird, stößt auf teils heftige Kritik – von Bürgern, der Opposition und der regionalen Presse.

„Wir verstehen, dass jede Veränderung Fragen aufwerfen kann“, betont die Finanzdezernentin Ulrike Karl. Doch sie verteidigt die Maßnahme als „sachlich begründet“ und längst erprobt. Die neue Regelung bringe „mehr Service, Sicherheit und Schnelligkeit“. Zudem sei niemand ausgeschlossen – vielmehr sei der Schritt zukunftsorientiert: „Rund ums Auto wird seit Jahren nahezu alles bargeldlos abgewickelt – vom Fahrzeugkauf über Steuer und Versicherung. Nur an der Zulassungsstelle sollte Bargeld noch eine entscheidende Rolle spielen? Das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Einige Bürger sehen das jedoch anders. Ihr zentraler Vorwurf: Menschen ohne Konto oder Karte – beispielsweise ältere Menschen – könnten von Verwaltungsleistungen ausgeschlossen werden. Ulrike Karl entgegnet, es gebe für „nachweislich besonders gelagerte Einzelfälle“ weiterhin „pragmatische Lösungen“. Das Landratsamt betont zudem, dass nahezu alle Einwohner über ein Girokonto verfügten – und damit automatisch über ein digitales Zahlungsmittel.

Auch rechtlich sieht sich die Behörde abgesichert: Die Gemeindekassenverordnung (GemKVO) schreibt vor, dass Zahlungen „nach Möglichkeit unbar“ abzuwickeln seien. Zudem spreche vieles gegen das Bargeld: Sicherheitsrisiken, logistische Hürden und Personalaufwand. Die Umstellung soll jährlich über 20.000 Euro einsparen – allein durch den Wegfall von Bargeldtransporten.

Gerade dieser ökonomische Aspekt sorgt jedoch für Zweifel. Kritiker werfen dem Landratsamt vor, wirtschaftliche Gründe hinter einem vermeintlich serviceorientierten Schritt zu verschleiern. Die AfD im Kreistag spricht von einem „massiven Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Bürger“. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Die Möglichkeit, mit Bargeld zu zahlen, ist ein grundgesetzlich geschütztes Zahlungsmittel.“ Besonders betroffen seien Menschen ohne Zugang zu digitalen Verfahren. Auch das Sicherheitsargument überzeugt die Fraktion nicht: „Wie hoch war denn das tatsächliche Risiko bislang? Gibt es belastbare Zahlen?“

Auch die Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO) übt deutliche Kritik. Auf ihrer Instagram-Seite schreibt sie: „Nur noch Kartenzahlung im Landratsamt? Wir sagen: Keine gute Idee!“
LiLO erinnert daran, dass Bargeld laut Europäischer Zentralbank ein anerkanntes gesetzliches Zahlungsmittel sei. Anders als bei privaten Dienstleistern hätten Bürger bei Behörden keine Wahl – sie müssten den Dienst in Anspruch nehmen. Für Menschen ohne EC-Karte, Smartphone oder digitale Routine sei die Umstellung ein klarer Ausschluss.
Ihr Vorschlag: Zumindest eine zentrale Zahlstelle sollte Barzahlung weiterhin ermöglichen. „Sicherheit und Effizienz dürfen nicht über den Rechten der Bürger stehen“, lautet ihr Fazit.

Auch die Presse meldet Zweifel an. Im Offenburger Tageblatt („Sparen ja, aber ehrlich“) heißt es, das Landratsamt habe „bestenfalls euphemistisch, schlimmstenfalls unehrlich“ agiert. Die Verwaltung weist diesen Vorwurf zurück. Die Maßnahme sei von Beginn an transparent kommuniziert worden, so Karl. Es gehe nicht nur um Einsparungen, sondern um eine zukunftsfähige, digitale Verwaltung. „Wer komplexe Maßnahmen auf einen Teilaspekt reduziere, verstelle den Blick für das Ganze“, erklärt sie. „Die Umstellung auf bargeldlose Zahlung ist kein Selbstzweck – sie ist Ausdruck einer modernen Verwaltung, die serviceorientiert, sicher und wirtschaftlich handelt.“

Ob diese Erklärung genügt, bleibt offen. Die Umstellung auf Kartenzahlung berührt mehr als nur technische Abläufe – sie berührt Grundfragen staatlichen Handelns: Wie inklusiv darf Digitalisierung sein? Wie viel Wahlfreiheit bleibt den Bürgern? Und welche Rolle spielt Bargeld in einer zunehmend digitalen Gesellschaft?
Die Debatte ist eröffnet. Und sie dürfte so schnell nicht verstummen.

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