Projekt Opferberatung verbessert Angebot für Hilfesuchende

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[15.9.2004]
Simone P. wird von ihren Mitschülern gemobbt und auch geschlagen. Sie ist in schwerer Not und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Sie ist ein Opfer von psychischer und körperlicher Gewalt. Rat findet sie schließlich bei einer der fünf Psychologischen Beratungsstellen im Ortenaukreises. Die Beratungsstelle ist gemeinsam mit zahlreichen Einrichtungen und Institutionen im Ortenaukreis an dem Projekt Opferberatung beteiligt.

Simone P. ist kein Einzelfall. Die Dunkelziffer ist groß. Immer mehr Menschen werden nach Ansicht von Fachleuten zu Opfern von Gewalt. Die Sozialverwaltung beim Landratsamt Ortenaukreis hat deshalb vor drei Jahren in enger Kooperation mit verschiedensten Beratungs- und Anlaufstellen das Projekt Opferberatung im Ortenaukreis ins Leben gerufen. Auch finanziell hat der Kreis sein Engagement verstärkt. Insgesamt 106.000 Euro stellt er jährlich für die Opferberatung zur Verfügung. Mit dem Geld werden mehrere beteiligte Einrichtungen finanziell abgesichert. Darüber hinaus beteiligt sich der Ortenaukreis mit den eigenen drei Psychologischen Beratungsstellen und dem Kommunalen Soziale Dienst an der Opferberatung.

Sozialdezernent Georg Benz zieht nach drei Jahren eine positive Zwischenbilanz: "Unser Ziel, die Beratungsangebote besser zu vernetzen und weiter auszubauen, haben wir erreicht". Menschen mit Gewalterfahrung können, wo auch immer im Ortenaukreis, wohnortnahe Beratung in Anspruch nehmen und Unterstützung erhalten, so Benz.

Menschen, die Opfer einer Gewalttat wurden, mit Opfern in Kontakt sind, oder einfach Fragen zum Thema Gewalt haben, können sich im Ortenaukreis an verschiedene im Projekt Opferberatung beteiligte Einrichtungen wenden. Zu ihnen gehören der Ortenauer Verein gegen sexuelle Gewalt "Aufschrei", das "Autonome Frauenhaus", der "Deutsche Kinderschutzbund e. V.", die "Klinik für Kinder und Jugendliche" am Klinikum Offenburg, der "Täter-Opfer Ausgleich" des Diakonischen Werkes im Ortenaukreis, der "Weiße Ring e. V. Ortenaukreis", die Psychologischen Beratungsstellen von Caritasverband und Ortenaukreis sowie der Kommunale Soziale Dienst des Landratsamtes Ortenaukreis.

In der dezentralen Struktur und den unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten der beteiligten Einrichtungen sieht Sozialdezernent Georg Benz einen deutlichen Vorteil: "Durch das Netzwerk von Anbietern unterschiedlicher Leistungen können vielschichtige Problemsituationen angegangen und unterschiedlichste menschliche Notlagen begegnet werden. Die gute Zusammenarbeit stellt eine ganzheitliche Hilfe sicher." Auch der Verzicht auf eine einzige zentrale Anlaufstelle habe sich bewährt, so Benz. Durch
die Mitarbeit der Gleichstellungsbeauftragten der Städte Achern, Lahr und Offenburg sei zudem der Themenbereich der häuslichen Gewalt, mit den Hilfemöglichkeiten im Zusammenhang mit dem polizeilichen und gerichtlichen "Platzverweis", in die Abstimmung eingebunden.

Dass das Angebot angenommen wird, zeigt eine im Landratsamt vorgenommene Auswertung der geleisteten Beratungen. Allein im Jahr 2003 nahmen über 670 Hilfesuchende sowohl in den ländlichen Gemeinden als auch in den Städten die Opferberatung in Anspruch. Mit rund zwei Dritteln stellen Frauen den weitaus größten Anteil der Ratsuchenden dar. Über die Hälfte der Beratungen werden für Jugendliche unter 18 Jahren geleistet. Jeder zweite Ratsuchende nimmt Kontakt mit den Beratungsstellen auf, weil er Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt geworden ist. Ein großer Anteil der Beratungen von nahezu einem Drittel erfolgt vor dem Hintergrund sexueller Gewalt.

Finden diese Menschen keine Hilfe oder Beratung, kann die Opfererfahrung zu bleibenden Beeinträchtigungen oder Schädigungen führen. Denn erfolgt eine Beratung zu spät oder gar nicht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass aus der Opfererfahrung Verunsicherungen entstehen. Diese, so warnen Fachleute, können auf längere Sicht in eine psychische Destabilisierung münden. Die Folge ist dann nicht selten die gesellschaftliche Ausgrenzung und eine dauerhafte Abhängigkeit von Unterstützung und Hilfeleistungen des Staates. Zeitnahe Hilfen dagegen können bleibende Beeinträchtigungen oder Schädigungen durch Gewaltanwendungen vermeiden oder geringer halten.

Genau hier setzt das Projekt Opferberatung im Ortenaukreis an. Über die engere Vernetzung und Abstimmung der Beratungsangebote haben sich zudem neue Impulse für die Arbeit der beteiligten Einrichtungen ergeben. So fanden in den vergangenen Jahren im gesamten Ortenaukreises gemeinsame, zeitlich befristete Projekte der Einrichtungen statt. Neue Möglichkeiten der Beratung insbesondere mit vorbeugendem Charakter konnten so erprobt werden. "Dabei hat sich gezeigt, dass besonders bei Beratungsangeboten für Kinder neue, erfolgversprechende Ansätze vorhanden sind", fasst Sozialdezernent Benz diese Arbeit zusammen.

Dagegen sieht die Kreissozialverwaltung die Möglichkeiten der Hilfen bei häuslicher Gewalt durch so genannte Platzverweise noch nicht ausgeschöpft. Um hier eine Weiterentwicklung anzustoßen, veranstaltet das Landratsamt zusammen mit den Einrichtungen der Opferberatung im November eine Tagung. Fachkräfte aus der Justiz, der Anwaltschaft, der Beratung und der Ordnungsämter werden gemeinsam nach neuen Lösungen suchen.

Text: Landratsamt Ortenaukreis

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