[26.4.2005]
Die Konjunktur in Baden-Württemberg hat zu Jahresbeginn 2005 ihren Höhepunkt erreicht und schwächt sich seitdem ab. Aus heutiger Sicht wird sich die konjunkturelle Dynamik in Baden-Württemberg im Jahresverlauf immer weiter verringern. Diese Erwartung stützt sich auf den aktuellen Verlauf des vom Statistischen Landesamt berechneten Konjunkturindikators.
Im Winter 2004/05 schwächte sich sowohl der Export als auch die Binnennachfrage ab. Für das erste Quartal 2005 rechnet Dr. Gisela Meister-Scheufelen, die Präsidentin des Statistischen Landesamtes, in Baden-Württemberg mit einem Rückgang der realen Wirtschaftsleistung von etwa ¾ Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Im zweiten Quartal 2005 dürfte die Südwestwirtschaft im Vorjahresvergleich ein reales Wachstum von plus ¾ Prozent erzielen.
Allerdings weist das erste Vierteljahr 2005 zwei Arbeitstage weniger, das zweite Vierteljahr 2005 dagegen zwei Arbeitstage mehr auf als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Ohne diese Kalendereffekte würde die Veränderungsrate im ersten Quartal um etwa 1 Prozentpunkt höher und im zweiten Quartal 2005 um ca. 1 Prozentpunkt geringer ausfallen.
Die Beschäftigung wurde im Winter vor allem infolge der positiven Entwicklung im Dienstleistungssektor leicht ausgeweitet. Damit setzte sich die schon im Herbst erkennbare Grundtendenz fort. Allerdings könnte sich die Abschwächung der Konjunktur im Weiteren als Belastung für die Beschäftigungsentwicklung erweisen, so Meister-Scheufelen.
Der aktuellen Ausgabe des Berichts »Konjunktur Südwest« zufolge schwächten sich in den Wintermonaten Dezember 2004 bis Februar 2005 sowohl die Auslands- als auch die Inlandsgeschäfte der baden-württembergischen Wirtschaft ab. Bei den Ausfuhren setzte sich die seit Jahresmitte 2004 abwärts gerichtete Grundtendenz im Winter fort.
In der Industrie lagen die – preis- und arbeitstäglich bereinigten – Auslandsumsätze im Durchschnitt der Wintermonate kaum noch über dem Vorjahresniveau, nachdem sie im Sommer 2004 um 12 Prozent gestiegen waren. Ursächlich für den Dynamikverlust der Exporte dürften in erster Linie die Abschwächung der Weltkonjunktur infolge der kräftig gestiegenen Rohstoffpreise und die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar gewesen sein.
Der Tempoverlust im Auslandsgeschäft machte sich in fast allen wichtigen Industriebranchen bemerkbar. Besonders stark ausgeprägt war er in der Metallbranche und im Fahrzeugbau, deren Auslandsumsätze im Winter im Vorjahresvergleich sogar zurückgingen.
Daneben mussten auch der Maschinenbau und die »Büro-, Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik« Federn lassen. Exportzuwächse gegenüber dem Vorjahr erzielte die Südwestwirtschaft im Winter vor allem in China und den USA. Die Exporte in die USA verloren zuletzt aber ebenso an Fahrt wie jene in die EU-Länder. Auf diese beiden Regionen entfallen etwa sieben Zehntel der gesamten baden-württembergischen Ausfuhren.
Nach Meister-Scheufelen leidet die baden-württembergische Konjunktur momentan hauptsächlich darunter, dass sie den nachlassenden Impulsen aus dem Ausland keine eigenständigen Wachstumskräfte entgegensetzen kann. Vielmehr hat sich die Binnenkonjunktur in den Wintermonaten Dezember 2004 bis Februar 2005 nach einer leichten Belebung drei Monate zuvor erneut abgeschwächt. Ausschlaggebend dafür war die Entwicklung in der Industrie und im Bauhauptgewerbe.
Bei den Hoch- und Tiefbaufirmen des Landes brach die Leistung in den Wintermonaten geradezu ein. Neben der schlechten Auftragslage trug gewiss auch das schneereiche Winterwetter dazu bei, dass die geleisteten Arbeitsstunden gegenüber dem Vorjahr – arbeitstäglich bereinigt – um ca. 18 Prozent zurückgingen. In der Industrie verfehlten die preis- und arbeitstäglich bereinigten Inlandsumsätze im Winter das Vorjahresergebnis um 3 ½ Prozent, nachdem sie es im Herbst 2004 noch knapp übertroffen hatten.
Von der Abschwächung der Inlandsgeschäfte waren vor allem die umsatzstarken Investitionsgüterproduzenten betroffen: Im Fahrzeugbau gingen die preis- und arbeitstäglich bereinigten Inlandserlöse nach einem Zuwachs von über 6 Prozent im Herbst 2004 im Winter um knapp 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück.
Im Maschinenbau verfehlten die Inlandsumsätze das Vorjahresniveau zuletzt um rund 4 Prozent, in der Branche »Medizin-, Mess-, Steuertechnik; Optik« um fast 6 Prozent. Etwas besser entwickelten sich dagegen die konsumabhängigen Verbrauchsgüterhersteller, bei denen sich der Erlösrückgang im Winter auf »nur« noch 1 ½ Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückbildete.
Andere Indikatoren über den Verlauf des privaten Konsums, die derzeit allesamt nur für Deutschland insgesamt vorliegen, entwickelten sich dagegen uneinheitlich: Einem leichten Aufwärtstrend bei den realen Einzelhandels- und Gastgewerbeumsätzen bis Februar 2005 standen im ersten Quartal rückläufige Pkw-Neuzulassungen und eine Eintrübung der Konsumentenstimmung gegenüber. Bessere Geschäfte meldeten dagegen zu Jahresbeginn Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Softwareunternehmen sowie Informations- und Kommunikationsdienstleister.
Der leichte Beschäftigungsaufbau in Baden-Württemberg dürfte sich auch im Winter fortgesetzt haben. Vorläufige Daten der Bundesagentur für Arbeit über die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lassen – saisonbereinigt – erstmals seit 2002 wieder eine Aufwärtstendenz erkennen.
Darüber hinaus hält die Zunahme der atypischen Beschäftigungsverhältnisse an. So wächst die Zahl der Minijobs und Ich-AGs gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach wie vor deutlich, hinzu kommen die Ein-Euro-Jobs, die im Zusammenhang mit der Hartz-IV-Reform geschaffen wurden.
Die zusätzlichen Minijobs und Ich-AGs sowie die Ein-Euro-Jobs dürften vor allem im Dienstleistungssektor angesiedelt sein, sodass die Beschäftigungsausweitung sich auf den tertiären Sektor konzentrierte. Dort wurden im Winter erstmals seit Anfang 2003 auch wieder zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen. Im Durchschnitt der Monate Dezember 2004 bis Januar 2005 belief sich der Zuwachs im Land auf knapp 20 000 Personen gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Produzierenden Sektor setzte sich dagegen der Stellenabbau – allerdings verlangsamt – fort; dort sank die Zahl der Beschäftigten im Winter um rund 14 000 gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Allein im Bauhauptgewerbe nahm die Zahl der Arbeitsplätze um über 5 000, das ist ein Minus von 6 Prozent, ab. Dieser Wirtschaftsbereich war damit vom Stellenabbau weitaus stärker betroffen als die Industrie mit einem Rückgang von knapp 1 Prozent.
Die Arbeitsmarktentwicklung wurde im Winter durch die Wirkungen der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Hartz IV-Reformen dominiert. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe führte dazu, dass die Zahl der Arbeitslosen im ersten Quartal des Jahres im Mittel um 39 000 höher war als noch vor Jahresfrist. Dadurch stieg die auf alle zivilen Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote im März auf 7,3 Prozent. Die Stabilisierung, die sich im Hinblick auf die Beschäftigung feststellen lässt, ist deshalb allenfalls bei den offenen Stellen erkennbar, deren Zahl zuletzt um knapp 2 000 über dem Niveau des Vorjahreszeitraums lag.
Der vom Statistischen Landesamt berechnete Konjunkturindikator, der der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung etwa drei Quartale vorausläuft, deutet bis Jahresende 2005 eine Fortsetzung der konjunkturellen Abschwächung in Baden-Württemberg an. Der abwärts gerichtete Verlauf des Konjunkturindikators geht in erster Linie auf die zuletzt deutlichen Rückgänge der industriellen Auftragseingänge aus dem Inland, der Industrieumsätze und des L-Bank-ifo-Geschäftsklimaindex für die Gewerbliche Wirtschaft Baden-Württembergs zurück.
Ungünstiger entwickelte sich auch die Zahl der Kurzarbeiter, deren Abnahme im Winter geringer ausfiel als zuvor. Auf der anderen Seite tendierten zuletzt die industriellen Auftragseingänge aus dem Ausland, die Zahl der offenen Stellen und der Deutsche Aktienindex etwas besser. Die Einzelreihen des Indikators signalisieren damit, dass die Südwestwirtschaft die Delle im Auslandsgeschäft bald überwinden wird.
»Da sich aber gleichzeitig die Binnenkonjunktur weiter abschwächen dürfte, wird die erneute Belebung der Exporte nicht ausreichen, den Dynamikverlust der Südwestkonjunktur aufzuhalten«, so Meister-Scheufelen.
Text: Statistisches Landesamt