Schule meets Handwerk: Azubis werden zu Ausbildern

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[Juli 2003]
Haslach. Die Heinrich-Hansjakob-Realschule arbeitet im Fach »Natur und Technik« intensiv mit örtlichen Betrieben zusammen. In Kursen und Projekten werden Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse von Auszubildenden mit Werkstoffen und Berufsbildern vertraut gemacht. Ziel ist eine frühzeitige Hilfe zur Berufsorientierung.

Das Sägeblatt ist nur 0,3 Millimeter dünn. Wie durch Butter geht die Säge durch das Holz. Das japanische Edelprodukt fasziniert Michael, Claudius und Wladimir. Azubi Heiko Suhm (21) von der Haslacher Schreinerei Moser erklärt den Siebtklässlern nicht nur die Säge: »Heute beginnen wir mit der Projektarbeit ›Zauberkreuz‹. Am Ende werdet ihr ein solches Zauberkreuz (ähnlich wie ein Zauberwürfel) selbst geplant und gebaut haben.«

7.45 Uhr im Werkraum der Realschule Haslach im Kinzigtal (Ortenaukreis). Vier Gruppen mit drei bis vier Schülern und je einem Auszubildenden haben sich im Raum verteilt. Die Konzentration und Neugier auf das neue Projekt sind fast mit Händen zu greifen. Die drei Jungen aus der Suhm-Gruppe stützen sich gebannt auf den Werktisch. Heiko Suhm erklärt ihnen das Vorgehen. Zuerst die Materialliste durchgehen. Schablone bauen, Bohrschablone, Verleimschablone, Dübellöcher anreißen und bohren, Dübel anschleifen und einsetzen, Einzelteile verleimen…

Orientierungshilfe zur Berufswahl
Thomas Moser steht im Hintergrund und schaut zu. Es war die Idee des jungen Fachlehrers, an der Heinrich-Hansjakob-Schule ganz neue Wege im Unterricht zu gehen. Seit mehr als drei Jahren gibt es die Kooperation Schule-Wirtschaft mit örtlichen Ausbildungsbetrieben. In Grundlagenkursen und Projekten werden die Schülerinnen und Schüler von Auszubildenden mit Berufsbildern und Werkstoffen praktisch vertraut gemacht. »Die Grundidee ist, den Schülern mit Orientierungshilfen die Berufswahl zu erleichtern. Sie können so schon früh testen, ob sie den Umgang mit beispielsweise Kunststoff, Holz oder Metall zu ihrem Beruf machen wollen«, erklärt Thomas Moser.
Um erste Erfahrungen in den unterschiedlichen Sparten von Industrie, Handwerk und Gewerbe zu machen, bieten die Ausbildungsbetriebe zu den einzelnen Lehrplaneinheiten Grundlagenkurse an. Diese drei- bis sechsstündigen Kurse werden von den Azubis unter Begleitung ihrer Ausbildungsleiter und der Lehrkräfte eigenständig geplant und durchgeführt. Dabei müssen die Lehrlinge örtliche Gegebenheiten (zum Beispiel eine begrenzte begrenzte Anzahl von Werkzeugen und Maschinen) sowie Gruppenstärken und unterschiedliche Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen. Bei der praktischen Durchführung des Kurses werden die Schülerinnen und Schüler je nach Anzahl der Lehrlinge in Gruppen aufgeteilt. Dabei ist jeder Azubi von Anfang bis zum Ende des Projekts für seine Gruppe zuständig.

Ausbildung auf Augenhöhe
Ausbildungsleiter Florian Wölfle von der Schreinerei Moser weiß: »Es ist ein Unterschied, ob ein Azubi oder ein Lehrer den Schülern die Berufsorientierung gibt.« Durch den geringen Altersunterschied arbeiten Schülerinnen, Schüler und die Azubis, die so selbst zu Ausbildern werden, auf Augenhöhe miteinander.Dass die Schülerinnen und Schüler ihre Ausbilder duzen, lässt ebenfalls mögliche Berührungsängste mit den verschiedenen Berufsbildern sinken. Wie kommt das bei den Schülerinnen und Schülern an? »Toll, das macht echt Spaß«, ist zu hören. Entsprechend begeistert sind Schülerinnen, Schüler und Azubis auch bei der Sache, weil alle etwas davon haben. Die Schülerinnen und Schüler schnuppern in Berufe hinein und die Azubis werden selbst zu Ausbildern. Als Abschluss des Kurses finden nach einer Vorstellung des Betriebs durch die Azubis Gespräche über Möglichkeiten und Perspektiven des jeweiligen Berufsbildes mit allen Beteiligten statt. Die Projekte werden im Wahlpflichtbereich im Fach »Natur und Technik« angeboten. In der Regel nehmen ausschließlich Jungen das Angebot an, Thomas Moser wirbt aber stets dafür, dass sich auch Mädchen beteiligen.
In Zusammenarbeit mit dem größten Haslacher Arbeitgeber, dem Industrieunternehmen Ditter, konnten die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit Kunststoff lernen. »Im Lehrplan ist das Thema Kunststoff nicht groß angelegt. In der Kooperation können die Schüler aber intensiv diesen Werkstoff kennen lernen«, sagt Ditter-Ausbildungsleiter Markus Sum, der selbst Schüler der Heinrich-Hansjakob-Realschule war. Azubis des Metall-Unternehmens Benz aus Haslach brachten den Schülerinnen und Schülern ihr Know-how rund um die Metallberufe nahe.

Kontaktpflege Schule-Wirtschaft
Neben der Verbesserung der Berufsorientierung formuliert Lehrer Thomas Moser als weitere Ziele die Intensivierung von Kontakten zwischen Schule und Wirtschaft vor Ort, das Aufzeigen beruflicher Perspektiven in der Region, die Lehrstellenvermittlung und nicht zuletzt neue Unterrichtsformen durch berufspraktische Elemente. Ausbildungsleiter Stefan Wangler von der Firma Benz fasst die von Thomas Moser initiierte Kooperation Schule-Wirtschaft so zusammen: »Einen besseren Einstieg in einen möglichen Beruf können die Schüler nicht finden.« Thomas Moser arbeitet derzeit schon am nächsten Projekt. Dann können sich die Schülerinnen und Schüler mit solarer Wassererwärmung vertraut machen.

Text: Elmar König

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