[23.12.2005]
Baden-Württemberg kann mit etwas mehr Zuversicht in das Jahr 2006 blicken. Nach der aktuellen Prognose des Statistischen Landesamts wird die Wirtschaft des Landes im kommenden Jahr um preisbereinigt etwa 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen. Das Wachstum dürfte damit hier zu Lande merklich höher ausfallen als 2005 und im zweiten Jahr in Folge den Bundesdurchschnitt übertreffen. Für Deutschland insgesamt wird in 2006 ein Wachstum von 1,5 Prozent erwartet.
Die Beschäftigungslage wird sich im kommenden Jahr aber nur leicht verbessern. Die Beschäftigungszunahme wird im Land mit einem voraussichtlichen Plus von etwa 25 000 Erwerbstätigen verhalten bleiben und nur etwas höher ausfallen als im abgelaufenen Jahr.
»Im Jahr 2005 ist nach der aktuellen Datenlage mit einem realen Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg von etwa 1 ¼ Prozent und mit einem Beschäftigungsplus von rund 20 000 Erwerbstätigen zu rechnen«, so Dr. Gisela Meister-Scheufelen, die Präsidentin des Statistischen Landesamts. Dies sind die zentralen Aussagen des Berichts zur Wirtschafts- und Sozialentwicklung 2005/06 in Baden-Württemberg, den Meister-Scheufelen heute der Landespresse vorstellte.
Die Aussichten der baden-württembergischen Wirtschaft für das kommende Jahr sind so positiv wie lange nicht mehr. Zum Ausdruck kommen die günstigen Perspektiven im aktuellen Verlauf des Konjunkturindikators für Baden-Württemberg. Der Konjunkturindikator des Statistischen Landesamts, der der tatsächlichen Entwicklung etwa drei Quartale vorausläuft, zeigt derzeit für die Südwestwirtschaft vom ersten bis zum dritten Quartal 2006 einen deutlichen Aufwärtstrend an.
Stütze der Südwestkonjunktur werden die Exporte bleiben. Diese werden von der weiterhin kräftig expandierenden Weltwirtschaft und der verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie profitieren. Zusätzliche Impulse dürfte die Südwestkonjunktur 2006 von den Inlandsinvestitionen erhalten. Die Ausrüstungsinvestitionen sollten von der besseren Finanzsituation vieler Unternehmen, den guten Exportperspektiven und von der geplanten Verbesserung einzelner Abschreibungsregelungen angeregt werden.
Nach Meister-Scheufelen sollten diese Rahmenbedingungen vor allem der baden-württembergischen Industrie zusätzlichen Auftrieb geben. Die exportorientierte und auf die Herstellung von hochwertigen Investitionsgütern spezialisierte Südwestindustrie dürfte daher 2006 noch stärker expandieren als im abgelaufenen Jahr. In der Folge sollten auch die industrienahen Großhandelssparten, das Verkehrsgewerbe sowie EDV- und unternehmensnahe Dienstleister, wie zum Beispiel Unternehmens- und Steuerberater, stärker zulegen.
Das Baugewerbe könnte im kommenden Jahr erstmals seit 2000 wieder leicht wachsen. Dafür sprechen die bessere Haushaltslage der Kommunen und die geplanten Steuerbegünstigungen von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an Gebäuden und Wohnungen.
Hemmschuh der wirtschaftlichen Entwicklung wird der private Konsum bleiben. Insbesondere die verhaltenen Tariflohnsteigerungen, die erneute Nullrunde bei den Renten und die Verschärfung einzelner Arbeitslosengeld-II-Regelungen lassen vielen Haushalten kaum Spielraum für höhere Ausgaben. Daran dürfte auch die für 2006 erwartete leichte Beschäftigungszunahme wenig ändern. Demzufolge werden der Einzelhandel und das Gastgewerbe kaum besser tendieren als 2005. Zudem werden die öffentlichen Dienstleister weiterhin unter den leeren Kassen beim Bund und den Ländern leiden. Alles in allem dürfte damit die wirtschaftliche Leistung im Land 2006 um real etwa 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen.
Bei der Beschäftigungsentwicklung wird sich im kommenden Jahr nur eine geringfügige Beschleunigung ergeben. Das Beschäftigungsplus wird sich aller Voraussicht nach auf rund 25 000 Erwerbstätige belaufen. Aufgrund der kräftigeren Konjunktur dürfte vor allem die Zahl der geringfügig Beschäftigten wieder stärker zunehmen.
Es ist zudem damit zu rechnen, dass sich der Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten deutlich verlangsamen wird. Darüber hinaus wird die steigende Zahl der Arbeitsgelegenheiten (»Ein-Euro-Jobs«) und der Selbstständigen im Jahr 2006 zur Beschäftigungsausweitung beitragen.
Per saldo wird die Zahl der Arbeitsplätze vermutlich nur im Dienstleistungssektor steigen, die Erwerbstätigenzahl dürfte dort um rund 40 000 zunehmen. Im Produzierenden Gewerbe wird die Beschäftigung dagegen erneut zurückgehen. Mit einem Minus von 15 000 Erwerbstätigen ist in diesem Sektor jedoch eine deutliche Verlangsamung des Arbeitsplatzabbaus zu erwarten.
Jahresbilanz 2005: Moderates Wachstum – Geringes Beschäftigungsplus – Rückläufige
Die Bilanz des Jahres 2005 fällt in Baden-Württemberg durchwachsen aus. Die Wirtschaft des Landes hat zwar ihren moderaten Wachstumskurs fortgesetzt, die Beschäftigungslage blieb alles in allem aber angespannt. Nach eigener Schätzung dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt hier zu Lande 2005 um etwa 1 ¼ Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt haben.
Für Deutschland insgesamt wird das Wachstum im Allgemeinen auf real plus 0,8 Prozent geschätzt. Motor der Südwestkonjunktur waren 2005 die Exporte, die um nominal etwa 7 ½ Prozent gegenüber dem Vorjahr stiegen.
Die Binnenkonjunktur blieb dagegen insgesamt verhalten. Infolge der guten Auslandsgeschäfte expandierte die Industrie mit einem Plus von ca. 2 ½ Prozent überdurchschnittlich. Davon profitierten auch die Bereiche Finanz- und Unternehmensdienstleistungen, Verkehrsgewerbe, Kfz-Handel sowie einzelne Großhandelssparten.
Der Einzelhandel legte zwar etwas zu, verdankte dieses Wachstum aber fast allein den sehr guten Geschäften der Apotheken. Der Tourismus verzeichnete im Land ebenfalls einen leichten Zuwachs. Rückläufig war die wirtschaftliche Leistung im Bereich Öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung sowie im Gastgewerbe und im Baugewerbe.
Nach schwierigen Jahren konnten einige Unternehmen 2005 ihre finanzielle Situation wieder verbessern. Im abgelaufenen Jahr nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um rund 12 Prozent ab und dürfte erstmals seit 2001 die Schwelle von 3 000 Fällen wieder unterschritten haben. Gleichzeitig nahm die Zahl der Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz um knapp 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
Auf der Sollseite der Jahresbilanz 2005 ist zu verbuchen, dass sich die finanzielle und soziale Situation vieler Bürgerinnen und Bürger des Landes kaum verbesserte. »Die nominalen Einkommen haben sich insgesamt wohl nur moderat erhöht und diese Steigerung wurde durch die höheren Verbraucherpreise wieder aufgezehrt«, so Meister-Scheufelen.
Der Anstieg der Verbraucherpreise belief sich im Jahresdurchschnitt 2005 auf 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei haben vor allem die Ausgaben für Energie, also u. a. für Heizöl, Kraftstoffe, Gas und Strom, die Lebenshaltungskosten der Konsumenten steigen lassen. Auch bei der Beschäftigungsentwicklung fällt die Jahresbilanz nur eingeschränkt positiv aus. Zwar dürfte die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im abgelaufenen Jahr um rund 20 000 Personen gegenüber dem Vorjahr gestiegen sein.
Allerdings konnte dieses Plus nur durch die Schaffung neuer Minijobs, »Ich-AGs« und »Ein-Euro-Jobs« erreicht werden. Dagegen ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erneut stark zurückgegangen. Sie nahm – vorläufigen Angaben der Bundesagentur für Arbeit zufolge – im Durchschnitt der ersten drei Quartale 2005 um rund 23 000 Personen gegenüber dem Vorjahr ab. Vom Abbau dieser »vollwertigen« Arbeitsplätze waren insbesondere die Industrie und das Baugewerbe betroffen.
Dagegen konnte die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungssektor gehalten werden. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich im Jahr 2005 deutlich erhöht. Im Zeitraum von Januar bis November lag die Arbeitslosenzahl bei durchschnittlich rund 380 000 Personen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht dies einem Anstieg um über 40 000 Personen. Allerdings ist diese Zunahme zu einem großen Teil durch die Berücksichtung von erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern in der Arbeitslosenstatistik im Zuge von Hartz IV verursacht.
Text und Grafik: Statistisches Landesamt