Opfer von Gewalttaten leiden häufig nicht nur unter körperlichen und seelischen Folgen, sondern auch unter gravierenden wirtschaftlichen Belastungen. Seit dem 1. Januar 2024 bietet das reformierte Soziale Entschädigungsrecht nach dem neuen Sozialgesetzbuch XIV (SGB XIV) eine deutlich erweiterte und beschleunigte Unterstützung für Betroffene. Im Ortenaukreis wurde die bundesweite Reform zügig umgesetzt – mit spürbaren Verbesserungen für die Opfer.

Bereits zum Jahresbeginn hat der Ortenaukreis drei spezialisierte Fallmanager eingesetzt. Sie begleiten Betroffene von Beginn an im Antrags- und Verwaltungsverfahren, helfen bei der Klärung des individuellen Hilfebedarfs, unterstützen beim Ausfüllen von Formularen und koordinieren weiterführende Hilfen. Ziel ist es, dass Gewaltopfer schneller und unbürokratischer die notwendige Unterstützung erhalten – noch bevor über ihren Entschädigungsantrag entschieden wurde.

„Nun können wir den Betroffenen nach einer Gewalttat umfassender und auch schneller zur Seite stehen“, betont Ingrid Oswald, Leiterin des Amts für Soziales und Versorgung im Landratsamt Ortenaukreis. „Denn die Menschen fühlen sich oft mit den gesundheitlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen nach einer Gewalttat überfordert“, so Oswald weiter.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der psychosozialen Unterstützung: Seit der Reform ist der Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe deutlich erleichtert. In Trauma-Ambulanzen erhalten Betroffene kurzfristig therapeutische Begleitung, um die seelischen Folgen von Gewalterfahrungen besser bewältigen zu können. Das Fallmanagement im Ortenaukreis ist zudem eng mit einem breiten Netzwerk von Kooperationspartnern verknüpft, darunter der Weiße Ring, die Polizei, die regionalen Arbeitskreise gegen häusliche Gewalt, die Vereine „Frauen helfen Frauen“ und „Aufschrei Ortenau“, sowie die Trauma-Ambulanzen.

Die Bilanz zeigt, dass das Angebot angenommen wird: „Unsere Fallmanager konnten allein 2024 in 120 Fällen helfen, und für viele weitere Betroffene aus der Ortenau wurde psychotherapeutische Soforthilfe in Trauma-Ambulanzen organisiert“, berichtet Oswald. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 147 Erstanträge im Sozialen Entschädigungsrecht im Ortenaukreis bearbeitet – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Aktuell laufen rund 1.300 Leistungsfälle, darunter auch Versorgungen für Kriegsopfer und deren Hinterbliebene.

Hintergrund: Ein Gesetz mit langer Geschichte

Das Soziale Entschädigungsrecht blickt auf eine über 70-jährige Geschichte zurück: Mit dem Bundesversorgungsgesetz von 1950 wurden erstmals Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene abgesichert. In den folgenden Jahrzehnten erweiterte der Gesetzgeber den Anspruch auf weitere Gruppen – etwa Zivildienstleistende (1960) und Impfgeschädigte (1961). 1976 trat das Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Kraft, das Gewaltopfern erstmals ein Anrecht auf staatliche Unterstützung einräumte. Zum 1. Januar 2024 sind nun alle diese Entschädigungsansprüche im 14. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XIV) zusammengefasst worden.

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